Irisierendes Himmelsfeuer

Wie ein flüchtiges Gemälde brechender Wellen aus Licht dehnt sich ein Feld irisierender Wolken hoch über den Gipfeln der kanadischen Rocky Mountains aus. Die ineinanderfließenden Farben leuchten in weichen Pastelltönen, ohne klare Grenzen, während die hohe Dynamik der sich schnell verändernden Wolken die Strukturen vorgibt. Ein eisiges Himmelsfeuer in allen Farben des Regenbogens.

Mal zart und transparent, mal leuchtend wie geschmolzenes Metall, geht Türkis in Purpur über, das wiederum zu Gold wird. Die Linien und Wirbel aus dünnen Wolkenschleiern erinnern an Strukturen kosmischer Supernova-Explosionen, und für diesen kurzen Moment erschien es, als blicke man nicht auf Wolken, sondern mitten in das Herz des Orionnebels.

Dieses seltene Naturschauspiel entsteht in der hohen Troposphäre, oft in Föhnlagen, wenn feuchte Luftmassen gezwungen werden, Gebirgskämme zu überströmen. Beim Aufsteigen kühlt die Luft ab, Wasserdampf kondensiert und bildet Linsen- oder Wellenwolken. Auf der windabgewandten Seite sinkt die Luft rasch wieder ab und erzeugt ruhige, laminare Strömungen in der Höhe. Dort schweben winzige, fast gleich große Wassertröpfchen und Eiskristalle in dünnen Schichten. Die dazugehörigen Wolkenformationen sind Altocumulus lenticularis und Cirrocumulus, die sich in Höhen zwischen 6 und 12 Kilometern bilden.

Trifft Sonnenlicht im richtigen Winkel auf diese Wolkenpartikel, beugt und interferiert es so, dass einzelne Wellenlängen im Spektrum des Lichts verstärkt oder ausgelöscht werden – ein physikalisches Gemälde, das nur bei exakt passenden Partikelgrößen und homogener Verteilung der Tröpfchen und Kristalle möglich ist. Die kräftigsten Farben erscheinen, wenn die Wolken optisch dünn und gleichmäßig sind und der Hintergrundhimmel tiefblau ist.

Inmitten dieses Farbspektakels zeigte sich für weniger als eine Minute ein dunkles Auge – eine verdichtete Wolkenzone, die das Sonnenlicht verschluckte. Dieses geheimnisvolle Auge schuf einen faszinierenden Kontrast und verstärkte die Tiefe des himmlischen Farbenspiels.

Wie mögen solche Naturphänomene auf die First Nations gewirkt haben? Was für uns heute ein erklärbares Zusammenspiel aus Eiskristallform, Lichtbrechung und Höhenströmung ist, konnte für sie ein Ruf zum Ritual und zur Zeremonie sein, ein eisiges Himmelsfeuer als Botschaft einer Anderswelt – eine flüchtige Brücke zwischen Erde, Himmel und Mensch.

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