Ahnenheimat

Der Almsee im Almtal bei Grünau gehört zum Salzkammergut der Alpen Österreichs und ist ein idyllischer Bergsee am nördlichen Fuße des bis zu 2500 m hohen Toten Gebirges. Als tot wird dieses Gebirge bezeichnet durch seine schroffe, karge, wasserlose und daher vegetationslose Felslandschaft. Dieses Erscheinungsbild liegt am Kalkgestein, der das Gebirge aufbaut. Regenwasser bindet geringe Mengen an Kohlendioxid und wäscht es als leichte Kohlensäure aus der Atmosphäre aus. Diese Kohlensäure ist in der Lage Kalk aufzulösen. In den Jahrmillionen beständiger Arbeit kann Regenwasser so ganze Gebirge auflösen.

Durch Brüche und Spalten im Gestein dringt das Wasser ins innere Gebirge vor und aus Vertiefungen werden mit der Zeit Hohlräume und Gräben. So entsteht ein weit verzweigtes Netz unterirdischer Flüsse und Höhlensysteme, in denen das Regenwasser versickert und abfließt. Solche Landschaften werden Karst genannt. Die Kalke bildeten sich vor etwa 230 Millionen Jahren im warmen Flachwasserbereich eines längst verschwundenen Ozeans namens Tethys, der sich zu dieser Zeit zu einem Weltozean öffnete. Die damaligen Lagunen- und Rifflandschaften können wir uns leicht verbildlichen, denn sie hatten gewiss Ähnlichkeit mit dem heutigen Great Barrier Reef im Nordosten Australiens und der Inselwelt der Bahamas und Floridas. Durch die Gebirgsbildung der Alpen wurden diese bis zu drei Kilometer mächtigen Sedimentlagen aus Kalken gehoben und fortan durch das Regenwasser geformt.  

Dass im Gebirge versickerte Wasser kommt durch Quellen wieder an die Oberfläche und speist so die umliegenden Seen, wie auch den Almsee. Der 589 m hoch gelegene See ist zwar nährstoffarm, bietet aber mit seinem stark gegliederten Vegetationsgürtel und moorigen Verlandungszonen einen idealen Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten. Der 2300 m lange und 700 m breite See ist durchschnittlich nur zweieinhalb Meter tief und seine zahlreichen Quellen liegen in bis zu neun Metern Tiefe.

Geformt wurde das Almtal durch dem Almgletscher während der letzten Eiszeit. Vor etwa 13.000 Jahren in der ausklingenden Eiszeit ereignete sich hier ein großer Felssturz, der den Talausgang blockierte, woraufhin sich der Almsee aufstaute. Der einst viel größere und tiefere See wurde im verlaufe der Zeit durch Schuttzufuhr aus dem Toten Gebirge immer kleiner und flacher. Vor allem Starkregenereignisse und die Schneeschmelze führen dem See erhebliche Mengen an Felsschutt zu. Im Bereich seiner moorigen Verlandungszone, in der dieses Foto entstand, ist der See gerade einmal 50 cm tief.  

Der Almsee hüllt sich oft in dichten Nebel. Das liegt an der kühlen und feuchten Luft, die von den nur sechs Kilometern entfernten Bergen hereinströmt. Wenn diese Luft auf die wärmere Luft über dem See trifft, bildet sich eine Nebelschicht. Dies ist vor allem im Herbst der Fall, wenn das Tal in kalten und klaren Nächten stark auskühlt und sich ein Kaltluftsee über dem relativ warmen Wasser bildet. Dann ziehen dichte Nebelschwaden über den See und verändern den Anblick des See von Minute zu Minute. Zusammen mit dem bunt verfärbten Herbstlaub ergeben sich in der Morgendämmerung zauberhaft märchenhafte Stimmungen. In den Momenten, in denen der Nebel den Vorder- und Hintergrund ausblendet, wirkt die moorige Verlandungszone mit dem angrenzenden Wald wie eine schwebende Landschaft, in der die Ahnen ihre Heimat gefunden haben.

Oktober 2022
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