Das wilde Unbekannte

Der Horseshoe Bend des Colorado River stromabwärts des Glen Canyon und Lake Powell befindet sich in der Nähe von Page in Arizona und markiert auf spektakuläre Weise den Eingang in den Grand Canyon. Der weite Panoramablick auf diese Flußschleife und das Paria Plateau und die Vermillion Cliffs in der Ferne mit Gewitterhimmel darüber erweckt tiefe Emotionen des wilden unbekannten Westens.
Die Entstehung dieses tief eingeschnittenen Mäanders, der eine Kombination aus Canyon und Flussbiegung ist, begann vor etwa 75 Millionen Jahren. Zu dieser Zeit, in der späten Kreidezeit der Dinosaurier, lag das Colorado Plateau auf Meereshöhe. Derzeit liegt es dagegen auf 1300 m Höhe. Der Colorado River durchschneidet hier die noch wesentlich älteren Sedimente der Navajo Sandsteinformation. Diese begannen sich vor etwa 180 Millionen Jahren, mitten im Jura, aus dem windgetriebenen Sand einer ausgedehnten nordamerikanischen Wüste zu bilden, die sich von Arizona bis Wyoming erstreckte. Die Felswände zeigen diagonal gestreifte Schichten. Sie sind die Überbleibsel der geschichteten Sandstruktur dieser Dünen. Der Navajo Sandstein liegt heute frei zugänglich, da jüngere Sedimente, die sich darauf ablagerten, bereits durch die Hebung des Colorado Plateaus abgetragen wurden. Durch diese längst verschwundene Landschaft schlängelte sich der ursprüngliche Colorado River wie jeder andere Fluss. Als das Colorado Plateau jedoch vor etwa 5 Millionen Jahren begann, sich kontinuierlich zu erheben, begann der Fluss sich schnell und tief in den sich anhebenden Untergrund einzuschneiden und schuf diesen Canyon mit der bereits damals vorhandenen 270° Biegung.
Heute beträgt der Höhenunterschied zwischen dem Felsrand und Fluss etwa 300 m. Der Colorado River schneidet weiterhin mit einer Geschwindigkeit von 0.17 mm pro Jahr in den Glen Canyon ein. Das mag nach einer vernachlässigbaren Erosionsrate klingen, aber über den gewaltigen Zeitraum von fünf Millionen Jahren ergibt dies eine beachtliche Tiefe von 850 m; die Tiefe des heutigen Grand Canyons. In ferner Zukunft könnte der Fluss schließlich durch den schmalen Felshals am Prallhang durchbrechen. Dadurch würde eine natürliche Felsbrücke entstehen. Nach deren Zusammenbruch bildet sich dann ein Butte, ein Inselberg, die so zahlreich im Grand Canyon anzufinden sind.
Das herannahende Gewitter verstärkt noch die Erhabenheit dieser Landschaft. Sporadische Sturzflutereignisse, die durch Gewitter ausgelöst werden, sind ein wichtiger Antrieb für die Erosion in dieser Wüstenlandschaft.

Mai 2015
Canon 5D MkII, Rokinon 14 mm, Blende 16, 0.5 bis 4 Sekunden, 100 ASA, Stativ, 180° Panoramakomposit aus 48 Einzelaufnahmen
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