Wenn der Zauber erwacht

Durch die dünne, frisch gefallene Schneedecke erheben sich die wolkenverhangenen Bláfjöll Vulkane im Südwesten Islands majestätisch über ausgedehnte Lavaströme, die von dicken Moospolstern fast vollständig bedeckt werden. Eine Landschaft, die auf den ersten Blick zauberhaft friedlich wirkt, bis man ihre Entstehungsgeschichte kennenlernt. Diese Blauen Berge, so übersetzt sich der Name aus dem Isländischen, gehören zu einem der vulkanisch aktivsten Hotspots in Europa. Die Bláfjöll Vulkane sind Teil des ausgedehnten Vulkansystems der Brennisteinsfjöll, das sich entlang der tektonisch hochaktiven Reykjanes-Halbinsel erstreckt. Diese Landschaft ist ein geologisches Schaufenster in die Kräfte, die Island überhaupt erst entstehen ließen – und es weiterhin formen.

Hier gibt der Untergrund niemals Ruhe. Die Reykjanes-Halbinsel ist Teil des Mittelatlantischen Rückens, der auf Island an Land kommt. Entlang dieser ausgedehnten Naht der Erdkruste driftet die eurasische und nordamerikanische Platte jährlich um etwa drei Zentimeter auseinander – ein Prozess, der als ozeanische Spreizung bekannt ist. Während sich die Platten unter zahllosen Erdbeben ruckhaft voneinander entfernen, steigt fortwährend heißes Magma aus dem Erdmantel auf, füllt die entstehenden Risse und Gänge und bildet neue Erdkruste – ein endloser Kreislauf des geologischen Werdens und Vergehens. Sobald das Magma die Oberfläche erreicht, bricht es als Lava aus und erzeugt Vulkane.

Die Bláfjöll-Vulkane selbst sind Zeugen zahlreicher solcher Ausbrüche in der Vergangenheit, die das heutige Lavaplateau geformt haben. Obwohl sie seit Jahrhunderten nicht mehr ausgebrochen sind, ist ihre Ruhe trügerisch: Seit 2021 erlebt die Reykjanes-Halbinsel nach etwa 800-jähriger Pause wieder regelmäßige vulkanische Eruptionen, vor allem im nahe gelegenen Fagradalsfjall-System und den zahlreichen Spalteneruptionen der Grindavik-Fires. Diese Ausbrüche markieren den Beginn einer neuen eruptiven Episode, die sich über Jahrzehnte erstrecken könnte – ein deutliches Zeichen dafür, dass sich auch das Bláfjöll-Gebiet langfristig wieder aktivieren könnte, da sich in letzter Zeit unter ihnen immer wieder Erdbebenschwärme ereignen.

Auf der Reykjanes-Halbinsel hebt und senkt sich der Boden derzeit innerhalb weniger Monate um mehr als einen halben Meter. Dies ist Ausdruck des aufsteigenden Magmas und der daraufhin erfolgenden Vulkanausbrüche und Gangbildungen, eine dynamische Wechselwirkung zwischen Plattentektonik und Vulkanismus.

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