Vergänglichkeit

Dieser tiefblaue Eisberg strandete am Jökulsárlón Strandur in Island kurz vor Mitternacht im Mittsommer. Umgeben von ruhigen Wellen bei Ebbe erwartet ihn sein Schicksal mit dem steigenden Wasser des Atlantischen Ozeans bei der nächsten Flut.
Diese Eisberge stammen aus der Gletscherlagune des gezeitenbeeinflussten Gletschersees Jökulsárlón am Südrand der Vatnajökull Eiskappe. Aufgrund der Dichte des Eises liegen etwa 90% des Volumens der schwimmenden Eisberge unterhalb der Wasseroberfläche. Infolgedessen bleiben die größten Eisberge bei Ebbe an großen Findlingen hängen, die Teil der Felsbarriere der Grund- und Endmoränenwälle sind, die den Gezeitensee Jökulsárlón aufstauen. Der enge Kanal Jökulsá, der den Atlantik mit dem Gletschersee verbindet, kehrt seine Fließrichtung zweimal täglich um. Wenn der Meeresspiegel mit der Flut ansteigt, fließt Meerwasser in die Lagune. Dadurch schwimmen die festsitzenden Eisberge wieder auf. Sie beginnen, sich in großen Kreisen auf der Lagune zu drehen und zeichnen so die Wasserströmung nach. Sobald der Wasserstand wieder sinkt, kehrt der Jökulsá Kanal seine reißende Strömung in einen Ausfluss um, der eine ganze Armada von Eisbergen in den Atlantik hinaus befördert. Sie werden dort sofort von den Wellen erfasst und unter eindrucksvollen Geräuschen zerkleinert. Nur die größten Eisberge überleben lange genug, um bei Ebbe an der Jökulsárlón Küste für kurze Zeit zu stranden. Dieses Schauspiel wiederholt sich zweimal täglich.
Dieser Eisberg ist zweieinhalb Meter hoch. Seine tiefblaue Farbe entsteht dadurch, dass nur noch der blaue kurzwellige Lichtanteil im dicht gepressten Eis gestreut wird. Dieses Eis entstand aus Schneeflocken, die vor etwa 1000 Jahren auf die Eiskappe des Vatnajökulls fielen. Die rissige Struktur des Eises verrät den immensen Druck und die Spannung, denen das Eis ausgesetzt war, als es noch Teil des Gletschers war. Entlang dieser Bruchzonen fällt der Eisberg in der Brandung schnell auseinander.
Jeder der gestrandeten Eisberge ist einzigartig und die Szenerie ist so vergänglich, dass bereits nach wenigen Stunden die ansteigende Flut keine Spur mehr von diesen Schönheiten übrig lässt.

Juli 2010
Canon 5D MkII, Canon EF-L 16-35 mm, Blende 16, 3 Sekunden, 50 ASA, Lee neutraler Grauverlaufsfilter, Stativ
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