Kunstwerk der Natur

Umgekippte Eisberge enthüllen ihre mit vulkanischer Asche gefüllten Schmelzwasserformen auf der zugefrorenen Gletscherseelagune Jökulsárlón im Winter Islands. Der Zugang zu den Eisbergen auf der Gletscherlagune ist nur möglich, wenn eine Vielzahl von Bedingungen gleichzeitig erfüllt ist:
Eine Reihe von Tiefdruckgebieten in westlicher Luftströmung über dem Nordatlantik brachte große Regenmengen in den Süden Islands. Der Regen schmolz die Schneedecke auf den Eisbergen und säuberte die Oberfläche der Eisberge, so dass ihre tiefblaue Farbe sichtbar wurde. Unmittelbar danach wechselte das Wettermuster danach zu einem stabilen und stationären Tiefdrucksystem im Nordosten Islands, das kontinuierlich kalte Luft aus der Arktis nach Island führte. Diese Kaltluftströmung wurde von der 1725 m hohen Eiskappe des Vatnajökull blockiert. Sie zwang die Luft mit hoher Geschwindigkeit über die Eiskappe. Diese großräumige Anhebung der Luft führte zu starken Schneefällen im Norden Islands. In Südisland bewirkte dieses Wetter dagegen einen anhaltenden Föhn-Effekt mit sonnigem Wetter. Ganz entgegen der Intuition der wärmenden Wirkung der Föhnwinde, führte dies lokal am Eisrand der Gletscherlagune zu lang anhaltenden, böigen und eiskalten katabatischen Winden. Katabatische Winde sind dichtegetrieben. Sie entstehen, wenn kalte Luft einen wärmeren Hang hinunter strömt und dadurch an Geschwindigkeit gewinnt. Kalte Luft ist schwer und die Schwerkraft zwingt sie unerbittlich den südlichen Ausläufer der Eiskappe hinunter zu fließen. An dessen Ende befindet sich der Jökulsárlón Gletschersee. Windgeschwindigkeiten von bis zu 200 km/h (57 m/s) bei Temperaturen von -8°C sind in solchen Wetterlagen keine Seltenheit. Infolge dieser Wetterlage sank die Temperatur des Lagunenwassers unter den Gefrierpunkt, der hier unterhalb von 0°C liegt. Diese Absenkung des Gefrierpunktes ist typisch für das Brackwasser der Lagune, die sowohl salzhaltiges Meerwasser als auch Süßwasser des geschmolzenen Gletschers enthält. Die schwimmenden Eisberge kühlen das Wasser der Lagune weiter ab und schließlich friert die Lagune zu und gewährt damit Zugang zu den Eisbergen. Die Sturmwinde wehen die schwarze Vulkanasche mit dem Sand über die isländische Landschaft und akzentuieren die Schmelzformen der umgekippten Eisberge zu einem Kunstwerk der Natur aus tiefblauen Formen des Eises und den schwarzen Mustern der Asche. Diese faszinierenden Strukturen sind am deutlichsten in der tiefen Dämmerung zu sehen, wenn der Erdschatten aufsteigt und der Himmel eine violette Farbe annimmt.
Ein Streifzug durch diese gefrorene Landschaft liegt weit außerhalb der Komfortzone menschlichen Lebens. Verzaubert von diesen faszinierenden Anblicken ist es eine Herausforderung, der durch die Luft gewirbelten Asche- und Sandteilchen und der immensen Kälte standzuhalten. Bei solchen Sturmwinden um -8°C fällt die gefühlte Temperatur auf bis zu -35°C ab.

Januar 2011
Canon 5D MkII, Canon EF-L 16-35 mm, Blende 16, 30 Sekunden, 50 ASA, Lee neutraler Grauverlaufsfilter, Stativ
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