Ein drohend aufziehendes Gewitter überzieht die üppige Farbpracht der Wildblumen in den Rocky Mountains bei Silverton in Colorado mit einem magischen Licht. Vom Red Mountain Pass wandert der Blick über die sumpfigen Wiesengründe des Mineral Creeks hinauf zu den Black Bear Mountains. Der zuckende Blitz und die Fallstreifen des einsetzenden Starkregens beenden eine drei Wochen andauernde Phase, in der die Sommersonne stets von einem stahlblauen Himmel herab strahlte.
Dies war eine der typischen und langandauernden Monsunpausen im Südwesten der USA. Während der sonnig-warmen Wachstumsperiode von Juni bis August erblühen die alpinen Wildblumen im Hochgebirge Colorados in ein bezauberndes Farbspektakel. Der rote Indian Paintbrush (Castilleja linariifolia) kontrastiert mit dem gelben Fingerkraut (Drymocallis fissa) und der weiß-lila Akelei (Aquilegia caerulea). Die lilafarbene Aster (Aster alpinus) wächst in Gesellschaft mit dem weißen Storchenschnabel (Geranium richardsonii) und dem blauen Rittersporn (Delphinium barbeyi). Besonders prächtig leuchten die weit sichtbaren Sonnenblumen (Helianthella quinquenervis) und der beeindruckend große weiß blühende Wiesenbärenklau (Heracleum sphondylium).
Das von den Wildblumen so dringend benötigte Wasser beziehen sie zunächst aus dem im Boden gespeicherten Wasser der Schneeschmelze. Im Hochsommer sind sie aber zunehmend auf Regen angewiesen. Dieser fällt in Form kurzer aber heftiger Schauer immer dann, wenn eine Monsungewitterwelle über die Rocky Mountains hinwegrollt. Dies geschieht in unregelmäßigen Intervallen immer dann, wenn feuchte Meeresluft vom Golf von Mexico oder vom Golf von Kalifornien weit nach Norden gelangt. Diese Luft steigt zunächst über dem Colorado Plateau auf und muss auf ihrem weiteren Weg nach Norden das Hochgebirge der Rocky Mountains überströmen. Dabei kühlt sich die Luftmasse stark ab und bildet hochreichende Wolkentürme, die sich in heftigen Gewittern über den Bergen entladen.
Sobald der Wind mit der großräumigen Luftströmung wieder auf West dreht, enden die Monsungewitter und machen der Sonne während einer Monsunpause wieder Platz.
Die Geologie der Rocky Mountains bei Silverton ist ungewöhnlich, denn diese San Juan Mountains genannte Region besteht aus Vulkanen. Der Blick in diese Landschaft zeigt den Rand eines gewaltigen Einsturzkessels, einer sogenannten Caldera. Er ist vergleichbar mit dem Crater Lake Vulkan in Oregon. Die Silverton Caldera entstand vor 30 Millionen Jahren, als ein explosiver Vulkanausbruch die Magmakammer unterhalb des Berges leerte, woraufhin dieser in sich kollabierte. Seitdem haben der nachwachsende Lavadom, die Gletscher der letzten Eiszeiten sowie Erosion durch Wasser und Wetter die Spuren dieser Ringstruktur soweit abgetragen, dass sie nur noch anhand ringförmiger Brüche im Gestein erkennbar ist.
Während der langsamen Abkühlung der Magmakammer tief unter dem Vulkan und der die Oberfläche erreichenden Vulkanschlote, zirkulierte Oberflächenwasser entlang der ringförmigen Brüche durch das überhitzte Vulkangestein. Dabei kam das Wasser auch in Kontakt mit extrem alten Gesteinen, die durch die Hitze der benachbarten Magmakammer zähplastisch umgeformt wurden. Die heißen hydrothermalen Wässer konnten dadurch eine Vielzahl an Metallen und Mineralen aus den Gesteinen herauslösen und Richtung Oberfläche transportieren. Dort lagerten sie sich entlang von Gängen und Störungen ringförmig um die Caldera herum an. Diese Lagerstätten sind reich an Gold, Silber, Kupfer, Blei, Zink, Schwefel und Eisen. Die ersten Funde lösten 1870 den Goldrausch von Silverton aus, der zu Konflikten mit den Ute Indianern führte, deren Jagdgründe diese Region von jeher war. Vor allem Eisen und Schwefel oxidierten das ausgelaugte Gestein zu intensiven Rot- und Gelbtönen, was für den Red Mountain Pass namensgebend wurde. Doch woher stammen diese Vulkane mitten in den Rocky Mountains?
Die plausibelste Antwort darauf hat globale Ausmaße. Bei der Kollision des amerikanischen Kontinents mit der pazifischen Platte taucht die schwerere ozeanische Platte an der Westküste Nordamerikas unter den Kontinent ab. Dies erzeugt die aktiven Vulkane an der Westküste der USA. Bei dieser bis heute andauernden Kollision geriet auch der mittelpazifische Rücken mit seinem untermeerischen Gebirge unter den Kontinent. Dieser Wulst in der Erdkruste stieß landeinwärts in etwa 100 km Tiefe mit den tiefliegenden Wurzeln der Rocky Mountains zusammen.
Dies erzeugte einen enormen Druck auf beide Platten, die sich mit einer Geschwindigkeit von wenigen Zentimetern pro Jahr gegeneinander bewegen. An der Oberfläche wurde dadurch das Terrain gehoben und es entstand das Colorado Plateau, während die Rocky Mountains in die Höhe wuchsen. Durch den enormen Druck kam es zu tiefen Brüchen in der Erdkruste, entlang derer Magma bis an die Oberfläche aufsteigen konnte. Die San Juan Mountains markieren nur eine von vielen solcher Bruchstellen im Südwesten der USA.
In dieses Bild passt vor allem der zeitliche Ablauf der Vulkanausbrüche in dieser Region. Er begann vor etwa 36 Millionen Jahren mit katastrophalen Episoden von explosivem Vulkanismus. Solch verheerende Ausbrüche mit Glutlawinenwolken und mächtigen Aschewolken, die bei der noch extrem heißen Ablagerung am Boden zu Tuff zusammengeschweißt wurden, stehen im Zusammenhang mit zähflüssiger und gasreicher Lava, den sogenannten Rhyolithen. Solche Laven entstehen immer dann, wenn sich Magma einen langen Weg durch kontinentale Kruste bahnt. Genau dies passierte, als das Magma bei der tiefreichenden Kollision der beiden Platten seinen Aufstieg begann. Vor etwa 25 Millionen Jahren änderten sich die explosiven Ausbrüche in zunehmend ruhigere effusive Ausbrüche und endeten schließlich in einer wahren Flut dünnflüssiger Lava, dem Basalt. Diese Abfolge zeigt, dass zu dieser Zeit die Wege des Magmas an die Oberfläche frei waren, und das Magma daher nicht mehr mit den Gesteinen des Kontinents wechselwirkte.
Die drei Wochen mit makellos blauem Himmel während der Monsunpause waren ideal, um auf der Suche nach dem Ort mit den schönsten Wildblumen möglichst viele Bergpfade zu erkunden. Als schließlich die Wolken der nächsten Monsunwelle heranrollten, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis eine der zahlreichen Gewitterzellen mit starker Blitzaktivität bei Sonnenuntergang über den Bergkamm zog. Nur eine Minute nachdem diese Aufnahme entstanden war, begann der Regen und die Blitze schlugen in unmittelbarer Nähe ein. Kurzzeitig fiel sogar Hagel und schließlich regnete es sintflutartig. Das Gewitter verdunkelte den Himmel so sehr, dass die Dämmerung ausfiel. Denn als der Regen und rollende Donner endlich abzogen, war es bereits Nacht und die Sterne funkelten am Himmel.